Bundesweiter Vorlesetag
Gespannte Stille, raschelnde Buchseiten, dann eine Frauenstimme. „Das ist das kleine Wir. Es ist ziemlich stark und etwas ganz Besonderes. Ein Wir entsteht überall dort, wo sich Menschen mögen. Es gibt also ziemlich viele Wir und jedes sieht ein bisschen anders aus. Eines haben sie aber alle gemeinsam: Sie sind sehr wertvoll“. Fasziniert lauschen die SchülerInnen der 5d der Geschichte von Ben und Emma, die die Vorlesepatin Frau Kaun an diesem sonnigen Novembermorgen in ihrem Klassenraum vorträgt. Im parallel abgespielten Bilderbuchkino erscheint ein wuscheliges grünes Wesen mit Blumen auf dem Kopf, einer rot-weiß gestreiften Nase und einem Köfferchen in der Hand. Staunende Kinderaugen, einige SchülerInnen kichern. So amüsant hatten sie sich das Wir wohl nicht vorgestellt. Und genau darum geht es anlässlich der Teilnahme am diesjährigen bundesweiten Vorlesetag an der Anne-Frank-Schule Molbergen: Vorstellungen, die durch Vorlesen und Zuhören entstehen zu Gesprächsanlässen zu machen und so die Lust aufs (Vor-)Lesen zu stärken. Die erstmals 2004 durchgeführte Vorleseaktion ist eine Initiative von DIE ZEIT, Stiftung Lesen und Deutsche Bahn und hat zum Ziel, ein öffentliches Zeichen für die Bedeutung des Vorlesens zu setzen. Umso wichtiger erscheint die Förderung der Lesekompetenz angesichts alarmierender Forschungsergebnisse der Bildungsstudie „Vorlesemonitor“, die Deutschlands mittlerweile größtes Vorlesefest seit 2007 flankiert und jüngst zu dem Ergebnis kam, dass massiver Handlungsbedarf im Bereich (familiären) Vorlesens bestehe. In vielen Elternhäusern werde kaum oder nicht regelmäßig vorgelesen. Davon überzeugt, dass (Vor-)Lesen wichtiger „Schlüssel zur Bildung“ ist, motiviert nicht nur die prominente Schirmherrin des Ministeriums des Innern, Nancy Faeser, dazu, am diesjährigen Vorlesetag teilzunehmen, sondern auch 800.000 weitere Einrichtungen, darunter die AFS Molbergen. Die Organisatorinnen Frau Meyborg und Frau Preuth hatten für die Teilnahme an der Initiative von DIE Zeit, Stiftung Lesen und Deutsche Bahn Stiftung im Vorfeld ein buntes Programm für alle Jahrgänge zusammengestellt. Wohin man am Vormittag des 16.11.2023 auch schaute, neben dem Wir von Emma und Ben waren weit und breit viele weitere Wir zu entdecken, die spannende Vorleseabenteuer erlebten. Zunächst wäre da das Wir der Vorlesepaten, die sich bereiterklärt hatten, in den Klassen 5 Kinderbücher zum Thema Freundschaft vorzulesen und anschließend mit den Gruppen über die Erlebnisse der Figuren zu sprechen. Dann wäre da das Wir der Schülerfirma „Bücherkiste“, das verschiedene Titel zum Thema „Vorlesen verbindet“ eingeübt hatte und im Kindergarten „Unter dem Regenbogen“ sowie der Kindertagesstätte „St. Johannes Baptist“ sowie in der Altenpflegeeinrichtung „St. Franziskus“ vortrug, zu nennen. Oder das Wir bestehend aus Lehrkräften der AFS, die im Jahrgang 6 vorlasen, ebenso das Wir bestehend aus den Mitarbeitern des Bibelmuseums, das im Jahrgang 7 den Buchdruck anhand einer historischen Nachbildung der guttenberg´schen Buchdruckmaschine anschaulich erklärt hat. Ein besonderer Dank gilt an dieser Stelle allen engagierten Vorlesern sowie dem Bibelmuseum, das anhand von Ablassbriefen, Glaubensmodellen und Bibelfassungen einen scheinbar lebendigen Einblick in die Zeit Martin Luthers und Johannes Guttenbergs um 1500 geliefert hat. So wie der Buchdruck als revolutionäre Erfindung eine Wissensexplosion in Europa zur Folge hatte, so hat der Vorlesetag an der Anne-Frank-Schule Spaß gemacht und alle Teilnehmenden zu einem ganz besonderen Wir verbunden.